Wegweiser
1. November, Allerheiligen
Allerheiligen, Lesejahr C
Lesungen:Offb 7,2-4.9-1; 1 Joh 3,1-3; Mt 5,1-12a
Prediger: P. Ludovic Nobel
Eine Reise von Kirchturm zu Kirchturm
Zielgerichtet wollte ein junger Mann leben und “Leben und Zukunft” gewinnen. Er fragte deshalb einen Weisen: “Was muss ich tun, um voranzukommen und das letzte Ziel meines Lebens zu erreichen, den Himmel?” Der Weise erklärte: “Das ist ganz leicht. Benutze einfach die Kirchtürme als Wegweiser. Sie zeigen dir den Weg.”
Der junge Mann wanderte los und suchte Kirchtürme. Und schon sah er einen. Er ging voller Freude zu diesem Dorf mit dem Kirchturm und stieg hinauf. Da sah er einen nächsten Turm im Nachbarort. Weiter ging seine Pilgerreise. Er ging von Ort zu Ort und von Turm zu Turm. Mit der Zeit wurde er mutlos, weil er immer nur unterwegs war und die Prozession der Kirchtürme kein Ende nahm. Schliesslich erkannte er, was der weise Mann ihm sagen wollte: Es ist nicht entscheidend, dass dein Weg von Kirchturm zu Kirchturm führt, sondern dass du merkst, was dir die Kirchtürme sagen wollen. Sie weisen alle nach oben, und zeigen dir damit den rechten Weg.
Unterschiedliche Wegweiser
Die Heiligen der Kirche, die wir heute feiern, sind wie Kirchtürme und Wegweiser, die nach oben zeigen. Alle Heiligen weisen die Richtung nach oben, zum Himmel. Aber ihre Wege dorthin waren sehr unterschiedlich, wie die Kirchtürme auch unterschiedlich sind. Es gibt schlanke gotische Türme, barocke Zwiebeltürme und Kirchtürme, die wie Festungstürme aussehen. Mit Kupferblech oder Dachziegeln sind sie gedeckt, manchmal sogar vergoldet.
So ist es auch mit den Heiligen. Manche stehen im Hintergrund des Lebens, so etwa der heilige Josef, wie er in manchen Krippen dargestellt ist: schweigend und tatkräftig. Andere waren berühmte Prediger, wie Bernhard von Clairvaux, oder geistliche Schriftsteller wie Franz von Sales. Andere ziehen als Missionare nach Übersee zu fremden Völkern wie Franz Xaver, oder opfern sich, um andere Menschen zu retten, wie Maximilian Kolbe. Sie waren Heilige der Nächstenliebe wie Theresia von Calcutta, Ordensgründer wie Franziskus von Assisi oder Theologen wie Thomas von Aquin. Sie waren Priester wie der Pfarrer von Ars, Ordensschwester wie Theresia von Lisieux, Laïen wie die selige Marguerite Bays, verheiratete Leute wie Bruder Klaus und seine Frau Dorothea.
An der eigenen Heiligung arbeiten
Ja, heute, am Fest aller Heiligen, feiern wir alle Menschen, die ein heiliges Leben geführt haben: die Heiligen, die von der Kirche anerkannt sind; aber auch alle Männer und Frauen, die auf keinem Heiligenkalender stehen, die aber Jesus nachgefolgt sind und die Liebe Gottes bezeugt haben. Alle waren Menschen mit Fehler. Weil sie aber alles auf die Gnade Gottes gebaut haben, gehören sie zu der grossen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Nationen, die ihre Gewänder im Blut Christi gewaschen haben. Für uns sind sie die heiligen Vorbilder im Glauben, die uns erinnern, dass jeder Christ berufen ist, treu zum Glauben zu stehen; geradlinig den Weg des Glaubens zu gehen, wo immer er lebt, wohnt und arbeitet. Es genügt tatsächlich nicht, nur auf die Heiligen zu schauen. Wir müssen auch etwas tun, um wie sie zu dieser unzählbaren Schar von Männern und Frauen, von der die heutige Lesung spricht, zu gehören. Ja, seit unserer Taufe tragen wir das Siegel Gottes auf unserer Stirn. Darum sind wir eingeladen, mit der grossen Schar der Heiligen zu rufen, dass die Rettung von unserem Gott kommt. Darum sind wir auch eingeladen, unsere Gewänder im Blut Christi zu waschen, um sie weiss zu machen.
Kirchtürme werden
Ja, wir sind die Vorbilder, die die Kirche von morgen braucht. Wir sind die Heiligen, die Kirchtürme, die unsere Kinder und Grosskinder brauchen. Die heutige Jugend, wie der junge Mann in meiner Geschichte, will Leben und Zukunft gewinnen. Sie brauchen auch Kirchtürme, dass heisst wegweisende Menschen, die ihnen den Weg zum Leben zeigen. Der schwindende Glaube der jüngeren Generation soll für uns tatsächlich eine Herausforderung sein heilig zu werden, dass heisst Zeugen eines Glaubens, der nicht bloss wahr und richtig, sondern möglich und lebenswichtig ist. Möge das Fest Allerheiligen ein Anlass für uns sein, unseren Glauben neu zu entflammen, damit wir immer mehr Zeugen eines lebendigen Glaubens werden, Zeugen die unsere Zeit unbedingt braucht.
Amen.