Seinen Ort finden

24./25. September 2022

Fest des Hl. Bruder Klaus

Prediger: Pater Ludovic Nobel

Liebe Mitfeiernde

Bruder Klaus ist der Schutzpatron der Schweiz. Viele Schweizer haben aber Mühe mit diesem Heiligen. Gewisse Reaktionen sind aussehbar. Etwa das ungläubige Kopfschütteln, wenn sein 20-jähriges Fasten zur Sprache kommt. Oder das Gemurmel, wenn davon die Rede ist, dass er seine Frau Dorothee und seine 10 Kinder verlassen hat, um allein für Gott zu leben.

Die Reaktionen sind verständlich. Es fällt schwer, einen Mann wie Bruder Klaus zu begreifen, der 20 Jahre lang so streng gefastet und ein Büsserleben geführt hat. Und ebenso schwer fällt es, in einer Zeit, wo so viele Ehen und Familien in die Brüche gehen, gerade einen Mann zu verehren, der von seiner Familie wegging. Bruder Klaus mag auf den ersten Blick kein besonders liebenswerter Heiliger sein. Aber nur die wenigsten Heiligen sind dies. Heilige stossen an und regen auf – und sollen dies auch. Könnte Bruder Klaus aber nicht zu einem unerwartet aktuellen Landespatron werden?

Bruder Klaus hat zwanzig Jahre lang, von 1467 bis zu seinem Tod im Jahre 1487 ohne Essen und Trinken und in äusserster Kargheit gelebt – und ist heute der Patron eines der reichsten Länder der Welt, der Patron einer Gesellschaft, wo Nahrungsmittel auf dem Müll landen. Wird der Heilige Nikolaus von Flüe hier nicht zu einem unerwartet aktuellen Mahner im Überfluss und Reichtum? Er fordert uns durch seinen radikalen Lebensstil heraus, als Christen unseren Umgang mit Besitz und Reichtum zu überdenken.

Und jetzt dürfen wir uns fragen. Warum hat Bruder Klaus seine Ehefrau mit seinen Kindern gelassen. Sehr wahrscheinlich wollte Bruder Klaus die radikale Botschaft des heutigen Evangeliums verwirklichen: Jeder, der um meines Namens willen Häuser, oder Brüder, oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder verlassen hat, wird dafür das ewige Leben erben.

Nicht jeder und jede ist dazu berufen. Auch für Bruder Klaus war diese Entscheidung gar nicht einfach. Er geht sogar durch eine depressive Phase. Wohin will Gott ihn führen? Mit Dorothee bespricht er sich, gemeinsam ringen sie darum, den Willen Gottes zu erkennen, zu bejahen. Bruder Klaus bezeichnet es später als die grösste Gnade seines Lebens, dass Dorothee ihre Einwilligung zu seinem Einsiedlerleben gegeben hat. Im gemeinsamen Mut, Gott zu vertrauen, auch wenn er sie unfassbare Wege gehen lässt, sind sie sich auf eine neue, tiefere Weise nahe. Das „einig Wesen“ entfaltet sich in jedem Menschen, der das lebt, wozu ihn Gott erschaffen hat.

Nun beruft Gott doch nur selten Menschen dazu, alles wegzugeben. Alles wegzugeben wäre für uns sehr wahrscheinlich undenkbar und unvorstellbar. Unsere Familie, unsere Arbeit, die Dinge dieser Welt sind für uns ungeheuer wichtig. Und das ist auch gut so. Bruder Klaus lehrt uns aber die rechte Reihenfolge. Zuerst Gott und sein Reich. Alles andere wird uns dazugeben werden. Er lernt uns von der Bindung der Dinge unabhängig zu werden; wirklich frei – ohne Angst, Neid oder Geiz; was man hat, zu haben aus Gottes Hand und es zu gebrauchen, wie er will.

Vielleicht scheint es uns zu radikal zu sein. Das Radbild von Bruder Klaus kann uns helfen die spannungsvolle Einheit seiner Gotteserfahrung. Aus der Mitte kommt die Kraft. Den Weg zur Mitte finden wir im Sakrament der Kirche und in den Taten der Liebe. Das eine Fenster der Klause im Ranft zeigt „nach innen“, auf den Altar der Kapelle. Das andere Fenster zeigt „nach aussen“ zu den Menschen. Was aus der Welt an Bruder Klaus herangetragen wurde, hat er im Gebet bedacht. Was ihm in der Betrachtung geschenkt wurde, gab er weiter an die Menschen. Beides war für ihn Gottesdienst.

Bruder Klaus zeigt uns durch seinen besonderen Lebensweg, dass man dann an verschiedenen Orten am richtigen Platz sein kann und als guter Christ leben kann, ob in Armut oder Reichtum, verheiratet oder nicht, ob im stattlichen Wohnhaus oben im Flüeli oder in der Kargheit der Zelle unten im Ranft.

Lassen wir uns durch das Beispiel des Niklaus von Flüe ermutigen, unser Leben ganz Gott anzuvertrauen. Bruder Klaus brauchte lange – 50 Jahre -, bis er seinen eigentlichen Ort gefunden hatte. Vielen geht es auch heute so. Wir wären gut beraten, dabei Gott und seine Pläne vor uns und unsere Pläne zu setzen. Aber auch wenn wir es vorderhand noch nicht tun oder noch nicht tun wollen – am Ende unseres Lebens wird keiner von uns darum herumkommen.

Amen.