Ihr werdet meine Zeugen sein
22./23. Oktober 2022
30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Lesungen: Sir 35,15b-17.20-22a ; 2 Tim 4,6-8.16-18; Lk 18,9-14
Prediger: P. Ludovic Nobel
Liebe Brüder und Schwester
Wir feiern heute den Sonntag der Weltmission. Für einige von euch hat vielleicht den Begriff Mission eher eine negative Resonanz. Es wird manchmal mit einer Art Kolonialismus identifiziert. War es oder ist es richtig den westlichen christlichen Glauben nach Afrika, oder Asien zu importieren?
Es ist gerechtfertigt sich eine solche Frage zu stellen. Sie ist aber ein bisschen klischeehaft, weil sie davon ausgeht, dass der Missionar oder die Missionarin jemand ist, der vor allem sogenannte Heiden bekehren will. Ein solches Verständnis von Mission entspricht jedoch keineswegs mehr der Realität.
Es geht tatsächlich nicht um Bekehrung, sondern um Verkündigung. Die Predigt von Jesus konzentriert sich auf die Verkündigung des Reich Gottes. Was ist aber dieses Reichgottes? Es ist eine Welt oder eine Gesellschaft wo Frieden, Gerechtigkeit, Freude und Hoffnung herrschen. Missionare und Missionarinnen fühlen sich berufen am Aufbau dieser Welt mitzuarbeiten.
In diesem Sinn verkünden sie und feiern den Gott des Lebens, der sich in Leben, Tod und Auferstehung Jesu gezeigt hat. Sie verkünden diese Botschaft, weil sie von ihr fasziniert und begeistert sind. Wer von etwas fasziniert ist, wer für etwas ganz Feuer und Flamme ist, der kann das nicht für sich behalten, denn das Mitteilungsbedürfnis ist so gross. Zeuge zu sein bedeutet deshalb, Rede und Antwort zu stehen von dem, was mich im Innersten erfüllt, mitzuteilen, was meine Hoffnung ist, wo mein Herz schlägt. Wenn wir die Liebe Christi in unserem Leben erfahren haben, dann können wir von dieser Erfahrung der Zuwendung nicht schweigen, wir wollen sie weitergeben. Wie in der Liebe gibt es auch beim Glauben keinen Zwang. Menschen spüren instinktiv, wenn man versucht, sie zu überreden und ihnen Überzeugungen aufzudrängen.
Sie engagieren dann auch für eine gerechtere Welt. Darum stellen sie sich in den Dienst der Benachteiligten und Ausgeschlossenen in Asien, Afrika, Ozeanien oder Lateinamerika. Missionare sind in diesem Sinn nicht nur in der Pastoral tätig, sondern auch in der Ausbildung, in der Pflege, in der Presse, überall wo ihre Mitarbeit nötig ist. Sie bauen Brücken und Strassen, Schulhäuser und Spitäler…
Schliesslich fördern sie den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Menschen verschiedener Kontinente, Kulturen und Religionen. Sie anerkennen andere in ihrem Anderssein und verbünden sich mit ihnen in Freundschaft, Solidarität und befreiendem Tun. Sie stärken damit das Bewusstsein, dass Mission eine Aufgabe aller Christinnen und Christen ist und in allen Richtungen zu geschehen hat.
Mission ist also nicht nur die Sache von einigen Priestern, Ordensschwestern oder Laien, die sich zu einem Leben in einem andren Kontinent berufen fühlen. Mission betrifft uns alle. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert uns daran, wenn es sagt, dass die ganze Kirche missionarisch ist. Das heisst aber nicht, dass jede und jeder von uns seine Heimat verlassen muss, um nach Übersee zu leben. Der heutige Sonntag sollte uns aber helfen die weltweite Dimension der Kirche in Erinnerung zu rufen. Wir sind Teil einer Weltweiten Kirche und sollen uns solidarisch fühlen mit unseren Brüdern und Schwestern die in Asien, Afrika Ozeanien oder Lateinamerika leben. Diese weltweite Dimension der Kirche sollte uns eine Weitsicht ermöglichen und uns nicht nur auf unsere Probleme zu konzentrieren. Hier in Europa erleben wir eine alternde Kirche, die für die jüngere Generation kaum von Interesse ist. Im letzten Sommer war ich in Kenya und in Simbabwe. Vor allem in Kenya habe ich eine sehr junge und lebendige Kirche erlebt. An einem Sonntag war ich in einer Pfarrei, die etwa 80 Kilometer von Nairobi entfernt lag. Es war die dritte Messe an diesem Sonntag. Die moderne Pfarrkirche war voll mit circa 500 Leuten. Die meisten waren Kinder und Jugendliche. Der Chor hat wunderschöne Lieder in Swahili gesungen. Mehr als 20 Messdiener (Mädchen und Jungen) waren im Chorraum. Dass eine solche Realität auch zu Kirche gehört, hat mir gutgetan. Wir haben manchmal den Eindruck, dass die Kirche zu weitentfernt von den gesellschaftlichen Problemen. In vielen Ländern Asien oder Afrika bietet sie vielen jungen Menschen eine Zukunftsperspektive. In unserer Gemeinschaft hier in Fribourg lebt mit uns einen jungen Priester aus dem Togo. Die Familie von André war so arm, dass seine Eltern die Kinder nicht zur Schule schicken konnte. In seinem Dorf aber gab es eine Gemeinschaft der Spitalschwestern. Dank der Hilfe der Schwestern konnte André zur Schule gehen und eine gute Ausbildung bekommen. Mehrmals sagt er zu uns: «Ohne die Schwestern hätte ein Kind wie ich keine Chance gehabt». Das auch ist die Kirche!
Liebe Brüder und Schwestern, heute wollen wir unseren Horizont für diese Weltweite Kirche öffnen. Dies erfordert eine Grundhaltung der offenen Ohren, Augen, Herzen und Hände. Während dieser Woche, wäre es schön, die Probleme unserer Kirche in Europa auszuklammern und sich über die Realität der Kirche auf einem anderen Kontinent zu informieren. Es wäre auch schön, Zeit für das Gebet zu nehmen und sich in Gemeinschaft mit Christen rund um den Globus zu fühlen. Eine Spende an Missio wäre auch eine Möglichkeit, unsere Solidarität mit den Ärmsten in Lateinamerika, Afrika, Asien und Ozeanien auszudrücken. So zeigen wir, dass wir Teil einer weltweiten Kirche sind, so können wir ganz konkret an dem missionarischen Auftrag der Kirche teilnehmen.
Amen.