Gott begegnet uns vielfältig
11./12. Juni 2022
Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr C
Lesungen: Spr 8,22-31, Joh 16,12-15
Predigerin: Bettina Gruber Haberditz
Liebe Mitfeiernde
Was wissen wir über die Dreifaltigkeit? Nicht viel! Wer könnte von sich behaupten, über Gott Bescheid zu wissen und sein Wesen erklären zu können?
Was tröstlich ist: wir müssen gar nicht alles erfassen. Jesus sagt: Ihr könnt es gar nicht, aber mein Geist wird euch in eurem Lernprozess begleiten.
Versuchen wir doch, uns von diesem Geist an die Hand nehmen zu lassen.
Dreifaltigkeit wurde durch die Zeiten auch bildlich dargestellt. Bilder können (wie Worte) unvollständig oder gar missverständlich sein. Aber solange wir uns bewusst machen, dass sie immer nur Annäherungen sind, können sie hilfreich sein.
Das Dreieck mit dem Auge war eine der traditionellen Darstellungen für Gott. Ist mir persönlich nicht so sympathisch, weil es mich eher an ein Verkehrsschild erinnert, und die Dreieckstafeln bedeuten: Achtung, Vorsicht. Das kann bestimmt nicht gemeint sein in unserer Annäherung an Gott.
Etwas abgewinnen kann ich hingegen der abstrakten Darstellung eines in sich verschlungenen Bandes. Man kann den drei Schleifen folgen, kommt aber an kein Ende. Und obwohl die Dreierform klar ersichtlich ist, fliesst sozusagen das gleiche Blut, die gleiche DNA durch alle Windungen. Unterscheidbar, aber ungetrennt. Gott ist immerwährender Austausch, Trialog ohne Begrenzung.
Auch hilfreich ist mir die Kerze mit den drei Dochten. Drei Flammen, die sich aus der gleichen Substanz nähren. Drei göttliche Erscheinungsformen, die aus einer Liebe sind.
Dieser Versuch, dem dreifaltigen Gott verstandesmässig näherzukommen, bleibt zwangsläufig theoretisch und berührt wenig. Daher zur Frage: wer ist dieser dreifaltige Gott für dich, für mich, für uns, für die Welt?
Jesus ermuntert uns zum Lernprozess. Gott näher zu kommen, ist ein Weg, auf dem uns die Geistkraft, diese göttliche Intuition, begleiten wird. Somit ist eigentlich klar, dass jeder und jede von uns auf dem eigenen Weg ist. und es in diesem Versuch der Öffnung zu Gott hin kein Besser und Schlechter gibt, mit dem wir uns voneinander abgrenzen müssten.
Gott offenbart sich jedem von uns auf die Weise, die uns am zugänglichsten ist,
als Vater, Sohn und Geist,
als Lebensquelle, Erlöser und Wegbegleiterin,
als Anfang, als Vollendung und als Gegenwart.
Und in all diesen Formen als ein Du, das dich und mich und die ganze Welt anspricht.
Wir sind eingeladen, unsere Antennen auszufahren und auf Empfang zu gehen. Auf welcher Wellenlänge wir für Gott erreichbar sind, spielt keine Rolle.
Gott, den wir Vater und Mutter nennen, ist der Ursprung allen Lebens. Somit kann für einige der Weg der Gottesannäherung beim dankbaren Staunen über die Schöpfung beginnen, bei der Sorge um verletzte Tiere und bedrohte Arten, beim Einsatz für gerechten Zugang zu Lebens-Mitteln und für die Zukunft unseres Planeten.
Für andere werden Jesu Vision vom Reich Gottes, das Kreuz, dem er sich nicht entzog, das Ostergeschehen oder die Gottesnähe in der Kommunion ihr Zugang sein, in welchem Trost, Heil, Hoffnung erfahren werden.
Und für dritte sind es die Erfahrungen von Teamgeist, von treuer Freundschaft, von geschenkter Versöhnung, von Kreativität in Musik und darstellender Kunst, von Erfindergeist und Problemlösung, die sie Gottes gegenwärtige Kraft erleben lassen.
Wir müssen uns nicht auf einen einzigen dieser Zugänge festlegen. Wir dürfen zu verschiedenen Zeiten uns von Gott je neu anrühren lassen.
Trinität «für uns» bedeutet: es spielt keine Rolle, von welcher Seite wir uns diesem wirkmächtigen göttlichen Geheimnis nähern!
Aber, um Gott näher zu kommen, sollten wir uns auch gegenseitig teilhaben lassen an geglückten Glaubensmomenten, an Gotteserkenntnis im Kleinen. Einander zuhören, wie Gott dir begegnet, das dürften wir noch öfter tun. Hier liegt sicher ein grosses Potential für uns als Gemeinschaft noch brach, auch im Gottesdienst.
Etwas ist aber gewiss: Wenn wir uns persönlich und als Gemeinschaft auf Gottsuche machen, erhaschen wir einen Zipfel der Weisheit, die immer schon bei Gott wohnt und in seiner Gegenwart spielt.
Gott will seine Liebe, seine Weisheit nicht für sich behalten. Gott will bei den Menschen sein, das ist Gottes Freude. Gott will in der Schöpfung etwas von seinem überfliessenden Leben, seiner eigenen Vielschichtigkeit, seiner Dialogbereitschaft wiederfinden.
Wenn Gott in die Welt schaut, dann ist das wie ein göttlicher Blick in den Spiegel – nicht ganz perfekt, aber immerhin. Meint das Wort von der Ebenbildlichkeit nicht genau das? Gott schaut uns an, und findet sich facettenreich wieder?
Und umgekehrt, wenn wir in den Spiegel schauen, in das Gesicht gegenüber, in die Natur oder wenn wir heilsame Sorge füreinander und Versöhnung erleben, dann haben wir einen Vorgeschmack auf die grenzenlose Fülle Gottes, die uns versprochen ist.
Müssen wir mehr über die Dreifaltigkeit wissen?
Gelobt sei Gott, der uns so vielfältig begegnet.
Amen.
