Wie sein Gedächtnis halten?
06. April 2023
Hoher Donnerstag
1. Lesung: Ex 12,1-8.11-14, 2. Lesung: 1 Kor 11,23-26, Evangelium: Joh 13,1-15
Predigende: Bettina Gruber Haberditz
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ wird die Gemeinde in Korinth an die Worte Jesu beim letzten Abendmahl erinnert.
In jeder Messe hören auch wir diese Worte Jesu als Auftrag, gemeinsam Mahl zu halten und seiner Gegenwart in unserer Gemeinschaft Raum zu geben. Mehr noch: ihn, Jesus, als den Gastgeber zu erkennen, der sich an uns verschenkt.
Für uns Katholik:innen gehört das Abendmahl, die Kommunion ganz zentral zu unserem Glauben. Jesu Gegenwart im geteilten Brot wird uns zum Allerheiligsten. Heute, am Hohen Donnerstag stehen auch die biblischen Texte – der „Tisch des Wortes“ – im Zeichen des Abendmahls. Da lohnt es sich doppelt nachzudenken, wie wir denn dieses Gedächtnis halten können.
Es war nicht ein spontaner Freundschaftsabend, den Jesus damals mit seinen Schülern feierte. Es war der Sederabend, der Auftakt zum Pessachfest. Dieser Abend steht für Juden und Jüdinnen damals und heute im Zeichen der Erinnerung.
Wir haben aus dem Buch Exodus gehört: „Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den Herrn!“
Die Erinnerung an Gottes Befreiung aus der ägyptischen Unterdrückung ist der Ankerpunkt für den Glauben an den Gott, der sein Volk durch die Wüste begleitet und in 40 Jahren des Glaubens und des Zweifelns in eine Zukunft in Freiheit führt.
Das Mahl am Vorabend des Aufbruchs aus Ägypten ist kein stundenlanges Gelage. Den Reisegurt umgeschnallt und die Schuhe schon an den Füssen, beinahe im Stehen ein rascher Happen, und dann los. Dieses von Gott angeordnete Mahl spendet die Kraft für einen Aufbruch ins Ungewisse, im Vertrauen auf sein Wort.
Jesus feiert in Jerusalem mit seinen Freunden diesen Gott der Befreiung. Und auch diesmal ist es ein Mahl, das Kraft geben soll für das, was kommt: ein Weg, der für ihn nur mit grösstem Gottvertrauen zu gehen ist und auch seine Jünger in eine ungewisse Zukunft wirft. Auch Jesus und die Seinen beschliessen den Sederabend nicht in beschaulicher Runde, es geht hinaus in die Nacht der Angst.
Wenn wir in seinem Gedächtnis feiern, so kann sein Mahl auch für uns nicht der Moment sein, satt am Tisch sitzen zu bleiben. Die Erinnerung an einen befreienden Gott, der in der Wüste und in der Nacht bei uns ist, soll uns Kraft und Mut schenken, aufzubrechen. Jesu „Wachet und betet“ im Olivenhain heisst für uns, wenn wir in seinem Gedächtnis bleiben wollen: Schlaf nicht, wenn der Mensch neben dir durch die Nacht seines Lebens geht.
Das Johannesevangelium erzählt uns die Fusswaschung. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben“, sagt Jesus zu den verwirrten Jüngern.
Auch wir haben meist klare Vorstellungen, was Sitte ist, wem wir etwas schulden oder wer uns etwas schuldet. Als Jesus sich mit dem Trockentuch gürtet, durchbricht er die gängigen Vorstellungen. Er, der Meister, macht sich zum Diener. Mit seiner Geste sagt er: Ein jeder und eine jede ist mir so wertvoll, dass ich mich vor ihm klein mache und ihm Gutes tue. Misstraut den Rangordnungen, die sich in eurem Zusammenleben aufgebaut haben. Sie taugen nicht für eine Gemeinschaft auf den Spuren des Gottesreichs.
Auch wir können uns merken: Wer sich in Jesu Nachfolge begeben will, hält mit ungeschuldeter Hilfe und liebevoller Zuwendung sein Gedächtnis am besten wach.
Wechseln wir nun noch die Blickrichtung in dieser Szene. Während der Fusswaschung war Petrus peinlich berührt, als Jesus sich vor ihn hinkniete – auch das kennen wir.
Ich wurde letzte Woche gefragt, ob es in dieser Feier eine Fusswaschung gebe. Nein, denn wir erinnern uns gut, wie viele Telefonate unsere Pfarreisekretärinnen vor ein paar Jahren machen mussten, bis sie eine kleine Schar von Freiwilligen beisammenhatten. Wir tun uns schwer damit, uns beschenken zu lassen und möchten niemandem etwas schuldig bleiben. Selbstbestimmung geht uns über alles, ist ein Zeichen der eigenen Stärke. Was aber, wenn jemand sich die Füsse nicht oder nicht mehr selber waschen kann? Hilfe anzunehmen, macht uns doch nicht zu minderwertigen Menschen!
Petrus hat an diesem Abend damals gelernt: Anteil an Jesus bekommt nur, wer sich von ihm beschenken lässt. In Jesu Gedächtnis leben heisst für uns, dass auch wir uns durch seine Zuwendung beschenken lassen dürfen.
Das Brot, in dem er sich selbst uns schenkt, kann sich sowieso niemand erkaufen oder verdienen. Selbst ein Judas hatte an Jesu Tisch Platz. In seinem Gedächtnis Mahl halten heisst dann: wir könnten es getrost Jesus überlassen, wer an seinem Tisch mitfeiern darf.
Ob Zuwendung schenken oder sich beschenken lassen – mit beidem gehen wir auf andere zu, treten in Beziehung. Gleichzeitig machen wir uns damit angreifbar und verletzlich. Aber gibt es eine Alternative dazu, die uns dem Himmelreich näherbrächte?
Mit Jesus und in seinem Gedächtnis zu leben, heisst, mit ihm das Risiko der Verletzlichkeit einzugehen. „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“
Amen.