Du bist geliebt

08./09. Januar 2022

Taufe des Herrn, Lesejahr C
Lesungen: Jes 42,5A.1-4.6-7; Lk 3,15-16.21-22

Prediger: Florian Joos

Ein Baby kann noch kein Wienerschnitzel mit Pommes verdauen. So geht es vielen mit diesem und mit vielen anderen biblischen Texten.  Zu abgefahren, zu unwahrscheinlich sind solche Szenen, schwer verdaubar für den sogenannten gesunden Menschenverstand.

Aber spielen wir einmal die Szenen durch, die Jesus hier erlebt – vielleicht kann das auch unser Zugang sein, der uns einen Schritt weiterbringt:

Erste Szene: Jesus hat dreissigjährig sein Heimatdorf Nazaret verlassen. Dann reiht er sich in die Warteschlange derer ein, die sich von Johannes taufen lassen wollen. Das ist die Reihe der Sehnsüchtigen, der Enttäuschten, der Neugierigen und auch jener, die nicht wissen, wohin mit ihrem schlechten Gewissen. Orientierung finden sie bei Johannes und die Hoffnung, dass ihr – vielleicht lebenslanges – Warten nicht umsonst sei. Die Erfüllung ihrer letzten Sehnsucht aber finden sie bei Johannes nicht. Dafür wird ein anderer erwartet.

Zweite Szene: Jesus betet. Der Himmel öffnet sich, der Heiligen Geist kommt für alle sichtbar auf Jesus herab, dann die Stimme aus dem Himmel. Manchmal gibt es solche Momente tatsächlich auch heute noch: die wunderbare Erfahrung, vom Finger Gottes berührt zu sein. Wie und was auch immer hier passiert sein mag, dieser Augenblick der Taufe ist zentral für Jesus, hier bekommt er in aller Deutlichkeit kommuniziert, wer er ist: Du bist …
Stoppen wir hier die Szene.
Du bist… Auf diesen Satzanfang kann alles Mögliche folgen: eine sachliche Aussage, ein Kompliment, eine Beleidigung, … Du bist ein Zufallsprodukt der Evolution, du bist ein kleines Rädchen im Getriebe, du bist nur eine/r von 8000 Millionen Menschen. Es gibt so viele unzureichende, unvollständige oder unwürdige Aussagen darüber, was ein Mensch sein kann. Sogar die Bibel schreibt: Wir alle sind nur Staub im Wind, oder Gras, das heute blüht und morgen geschnitten und verbrannt wird.

Je mehr ein Mensch über das Leben nachdenkt, muss er oder sie zum Schluss kommen: im grossen Zusammenhang der Weltgeschichte bin ich vollkommen unbedeutend. Daher versuchen sich einige einzureden und vorzumachen, wie wichtig sie seien. Und schon gibt es nicht nur Menschen, sondern mehr oder weniger wichtige Menschen und dann sogar VIPs, besonders wichtige Personen.
Jesus stellt sich zu den Unwichtigen in die Reihe. Und er betet. Und er sieht den Himmel offen, spürt den Heiligen Geist, hört die Liebeserklärung des allmächtigen Gottes: Du bist mein geliebter Sohn.
Wer sich selbst wichtigmacht, wird zu Recht belächelt.
Wer von seinen Mitmenschen heute für wichtig gehalten wird, kann morgen schon vergessen sein.

An dieser Stelle setzt nun die Botschaft Jesu ein. Sein Sprechen und Handeln gipfelt in diesem einen Gedanken: Du bist so wichtig, dass der König des Universums dich an seinen Tisch einlädt. Und es ist deine Entscheidung, ob du kommst oder diese Einladung in den Wind schlägst. Und die Majestät des Universums stellt sich mit dir in eine Reihe und ist sogar bereit, für dich zu leiden und zu sterben.
So wichtig bist du.
Im Evangelium wird uns ja von höchster Stelle her zugesagt, wie bedeutend und wie wertvoll wir sind. Wir müssen uns daher nicht selbst wichtigmachen.

Und wenn wir diese Zusage wirklich annehmen würden, dann wären wir innerlich so gross, dass wir uns äusserlich klein machen könnten. Das ist der ursprüngliche christliche Lifestyle: Unendlich grosser Inhalt in möglichst unscheinbarer Fassade. So wurde Jesus im Stall geboren, so hat er 30 Jahre in einem Nest namens Nazaret verbracht, so hat er sein Leben als Sklavendienst verstanden und seinen Jüngern die Füsse gewaschen und so hat er schliesslich unbeachtet am Kreuz geendet – Er, der Sohn des Höchsten.

Was fangen wir jetzt damit an?
Wie alles beginnt auch unser Glaubensweg mit einem Akt des Willens, mit einem Akt des sich – Öffnens. Will ich diese Nachricht an mich heranlassen? Will ich diese Zusage annehmen, ein geliebtes Kind der göttlichen Majestät zu sein? Oder will ich es nicht?
Habe ich etwas gefunden, das mir mehr Erfüllung verspricht?
Wenn wir bereit sind, die Einladung Gottes anzunehmen, dann beginnt unser Weg mit Jesus.

Vielleicht machen wir es am besten wie er und stellen uns in die Warteschlange derer, die auf der Suche nach Trost und Hoffnung sind. Beten wir allein und finden wir auch andere, mit denen wir beten können. Erwarten wir den Heiligen Geist, spüren wir den offenen Himmel. Und lassen wir uns dieses Wort Gottes wirklich zu Herzen gehen, lassen wir es jeden Tag tiefer einsickern bis zum Grund unserer Seele: Du bist meine geliebte Tochter, mein geliebter Sohn.
Versuchen wir Gottesdienst und Gebet so zu verstehen, dass wir die Liebe des Vaters, durch den Geist einfliessen lassen in unser Herz. Leben in Fülle, Freude, Dienstbereitschaft, Vergebung – daran sollte man erkennen, dass wir Kinder Gottes sind.

Viele Leute, die ich kenne, verwechseln den Glauben mit einer Zwangsjacke. Sie liegen falsch. Die Kirche hat über Jahrhunderte hinweg leider oft aus dem Glauben ein Gefängnis gemacht. Dabei ist es von Anfang an immer das Gegenteil gewesen. Jesus hat Menschen nicht eingesperrt, sondern frei gemacht. Frei von ihren körperlichen und seelischen Leiden, frei von sozialer Ausgrenzung, frei vom Regelwerk eines Religionssystems und frei vom sinnlosen Kreisen um das eigene Ego. Und er hat ihnen gesagt und gezeigt, dass der Himmel für sie offensteht, dass Gott sie liebt und dass er auf sie wartet. Die Ewigkeit Gottes hat in Jesus unseren Boden berührt, bitten wir ihn, dass seine Liebe in der Tiefe unserer Seele ankommt.

Amen.