Synode 2023: Die eigene Komfortzone verlassen

Mehr Synodalität möchte die katholische Kirche wagen – nicht nur mit Blick auf die Bischofssynode in Rom im Herbst 2023. Um Menschen an der Basis und ihre Anliegen besser wahrzunehmen, fand daher in den letzten Monaten ein synodaler Prozess auf Bistumsebene statt, den für Deutschfreiburg Noelia Yuste begleitet hat. Über ihre Erfahrung kam Christina Mönkehues-Lau mit ihr ins Gespräch.

Unten auf dieser Seite finden Sie alle Abschlussdokumente der Synode: Aus dem Bistum LGF, aus der Bistumsregion Deutschfreiburg und aus unserer Pfarrei.

Was war deine Motivation, dich für den synodalen Prozess einzusetzen?

In der Universität habe ich mich auf theoretischer Ebene schon vorher mit Synodalität und mit dem synodalen Weg in Deutschland beschäftigt. Neben der guten Intention habe ich aber auch strukturelle Schwächen wahrgenommen und war eher skeptisch in Bezug auf den synodalen Prozess in der Schweiz. Als ich dann die Ausschreibung für eine Projektarbeit in Deutschfreiburg sah, nahm ich das als Chance wahr, meine Kritik konstruktiv einzubringen und so habe ich mich beworben.

Was wolltest du konkret einbringen?

Ich bin manchmal selbst frustriert vom System, wenn Veränderungen eine lange Zeit brauchen oder Prozesse nicht transparent sind. Mir war wichtig, dass ich jede Rückmeldung persönlich beantwortet habe und den Menschen mit viel Wertschätzung begegnet bin, denn oftmals war den Rückmeldungen ein gewisser Frust zu entnehmen. Für viele war es eine Art letzte Chance an die Kirche, doch noch etwas gut zu machen. Diese Chance sollte nicht verspielt werden. Ein anderes Anliegen war die Transparenz. Die Schlussberichte aus Deutschfreiburg und dem Bistum sind ausführlich und allen Interessierten zugänglich. Man soll nachvollziehen können, was erarbeitet wurde, und welche Ergebnisse dabei herausgekommen sind.

Was waren konkret deine Aufgaben?

Im Gegensatz zu anderen Bistümern haben wir kein professionelles Forschungsinstitut beauftragen können, sondern ein diözesanes Team zur Synode hat ein Konzept zur Auswertung erarbeitet und umgesetzt. In diesem Team habe ich Deutschfreiburg vertreten und war somit für die Auswertung aller Beiträge unserer Bistumsregion zuständig. Daneben habe ich selbst Synoden-Gespräche geführt. Und dann am Ende einen Auswertungsbericht für Deutschfreiburg erstellt, der dann auch in den Bistumsbericht eingegangen ist.

Mit welchen Gruppen hast du selbst Gespräche geführt und warum?

Mir war schon vor Beginn der Befragung bewusst, dass ein Fragekatalog zur Synode in kirchlicher Sprache Kinder und Jugendliche wohl nicht ansprechen wird. Um sie dennoch miteinzubeziehen, habe ich im Rahmen von Religionsunterricht und Ministrant:innen-Gruppenstunden Ateliers anbieten dürfen. Dort habe ich zunächst in das Thema Synode eingeführt und dann die Synodenfragen jugendgerechter formuliert und mit den Anwesenden diskutiert.

Weiter lagen vor Ende unserer Konsultationsphase bereits die Ergebnisse der Gespräche aus dem Bistum Basel vor, die den Wunsch nach Inklusion von queeren Menschen formulierten. So habe ich in Freiburg mit der Organisation LAGO Kontakt aufgenommen, die sich für die Rechte von LGBTQIA+ einsetzt. Sie haben mir den Kontakt zu einer katholischen queeren Person vermittelt, mit der ich ein interessantes Interview führen konnte. Die doppelte Diskriminierung war das Kern dieses Gesprächs: In queeren Kreisen fühlte sich diese gläubige Person als Aussenseiterin, weil ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche als «Unterdrückerinstitution» nicht verstanden wurde, und im kirchlichen Kontext fühlte sie sich auch nicht aufgenommen, aufgrund ihrer queeren Identität.

Ein anderes Anliegen der Synode ist es, an die Ränder der Gesellschaft zu schauen und so konnte ich zum Beispiel in Kooperation mit der Organisation Grisélidis in Freiburg mit Sexarbeiterinnen sprechen. Viele sind tief im Glauben und in der Kirche verwurzelt und waren überrascht, dass ich mit „unseren Problemen” der Kirche zu ihnen gekommen bin. Aus den Gesprächen bin ich durchaus auch selbstkritisch herausgegangen. Eine Frau sagte mir, sie fühle sich gar nicht betroffen vom Thema Armut – sie habe eine Familie und sei gesund. Viel schlimmer seien doch andere Formen von nicht-materieller Armut, z.B. Einsamkeit. Diesen Leuten solle man besser helfen.

Das klingt nach spannenden Begegnungen.

Insgesamt war ich überrascht: Ich habe mit Widerstand gerechnet, aber überall wurde ich mit offenen Armen empfangen. Man darf nicht erwarten, dass von uns ausgegrenzte und verletzte Leute von sich aus zu uns kommen, aber wenn man mit Interesse und Offenheit auf sie zugeht, sind viele sehr interessiert. Es ist auch die Erfahrung, die ich in meinem nicht-kirchlichen Bekanntenkreis mache. Viele sind neugierig auf den Glauben, aber es kommt darauf an, wie man im Gespräch auf sie eingeht und welche Sprache man benutzt. Es braucht viel Sensibilität und z.B. im Austausch mit queeren Menschen auch Vorwissen, damit keine Fauxpas passieren.

Die Ergebnisse des synodalen Prozesses hat Marianne Pohl-Henzen auf der Regionalseite des Pfarrblattes  vom Juli/August (S. 12) kurz zusammengefasst. Haben dich die Ergebnisse überrascht?

Grundsätzlich habe ich festgestellt: Die Meinungen sind sehr vielfältig: Die einen wünschen sich dringend strukturelle Änderungen, andere wollen eher eine spirituelle Umkehr. Bei den ganz praktischen Wünschen zur Liturgie hat mich überrascht, dass kleine Probleme wie ein falsch eingestelltes Mikro in der Vergangenheit nicht schneller gelöst werden konnten. Forderungen nach mehr Inklusion von wiederverheirateten Geschiedenen, der Aufhebung des Pflichtzölibats, und der Weihe für Frauen habe ich erwartet, genauso wie die Forderung nach transparenter Aufarbeitung von Missbrauchsfällen – das ist ja auch der schweizweite Konsens, wie der in Einsiedeln verabschiedete Schlussbericht der Schweizer Bischofskonferenz gezeigt hat. Für Deutschfreiburg, sowohl für die Bistumsregion als auch für die Pfarreien und Seelsorgeeinheiten festzuhalten ist, dass die Kommunikation als mangelhaft erlebt wird – hier ist sicher noch «Luft nach oben».

Was denkst du muss nun passieren, damit der synodale Prozess hier in Deutschfreiburg als Erfolg wahrgenommen wird?

Es ist schon ein Schritt von Synodalität, dass die Beteiligten mit ihren Meinungen und Anliegen angehört wurden. Natürlich macht es dann noch einen Unterschied, ob man im Prozess der Entscheidungsfindung (decision making) beteiligt ist, oder auch selbst Entscheidungen fällen kann (decision taking). Einige Punkte, wie die Frage nach dem Weiheamt für Frauen, werden wir nicht hier, lokal, entscheiden können, dessen muss man sich bewusst sein. Wichtig ist aber, dass wir ernst nehmen, was die Leute vor Ort zu den verschiedenen Themen denken, und diese Schwarmintelligenz konstruktiv nutzen, wo wir können.

Ich wünsche mir sehr, dass wir wirklich konkrete Umsetzungen schaffen. Dazu brauchen wir nicht immer grosse Konzepte für die Zukunft. Kleine Probleme, wie z.B. das falsch eingestellte Mikro, wären schnell gelöst. Oder es könnte niederschwellig ein Think Tank geschaffen werden, in dem sich Menschen mit der Liturgie und möglichen Alternativen für veraltete Sprachbilder auseinandersetzen. Für mehr Inklusion wären z.B. direkte Begegnungen hilfreich. Den ersten Schritt müssen dabei wir machen, nicht die von uns Ausgeschlossenen. Das Zuhören ist hier sehr wichtig. Grundsätzlich wünsche ich mir vor allem Mut, etwas zu wagen. Man muss dazu vielleicht die eigene Komfortzone verlassen und in anderen, unbekannteren Räumen auf Menschen zugehen. Viele, die am Rand der Gesellschaft stehen, kämpfen täglich, sie haben gar keine andere Wahl. Das könnte uns als Inspiration dienen: Vielleicht sollten auch wir einmal etwas ausprobieren, das mit Spannungen verbunden ist oder mit dem nicht alle sofort einverstanden sind. Übrigens sind wir von der Fachstelle Bildung und Begleitung offen für kreative Ideen und konkrete Vorschläge, die wir gemeinsam umsetzen können. Melden Sie sich! (Kontakt: noelia.yuste@kath-fr.ch).

Die 23-jährige Noelia Yuste ist im Zürcher Unterland aufgewachsen und studiert derzeit im Master an der Theologischen Fakultät in Freiburg. Daneben ist sie als Projektmitarbeiterin der Fachstelle Bildung und Begleitung für den synodalen Prozess in der Bistumsregion Deutschfreiburg angestellt.