Der Weihnachtsmann und das Christkind

24. Dezember 2021, Christmette

Christmette, Lesejahr C
Lesungen: Jes 9,1-6; Tit 2,11-14; Lk 2,1-14

Prediger: Pater Ludovic Nobel

Es war einmal in einem kleinen Dorf. Jedes Jahr, kurz vor Weihnachten, durften die Messdiener der kleinen Gemeinde die Weihnachtskrippe im Chor der Pfarrkirche aufbauen. Sie war der ganze Stolz des kleinen Ortes; eine schöne Krippe mit Figuren ganz aus Porzellan.

An jenem Tag waren unsere Messdiener am Aufstellen der Krippe. Sie waren stolz und froh, die schöne Krippe herrichten zu dürfen. Sie hatten die Landschaft schon aufgestellt und die vielen Schäfchen auf das Moos verteilt. Der Ochs und der Esel und die Hirten waren auch da. Jetzt sollten sie noch Maria, Josef und natürlich Jesus hinstellen. „Die Krippe sieht gut aus“, dachten die Messdiener. Und dann geschah es. Ein einziger, kurzer Augenblick, ein Moment der Unaufmerksamkeit und das Christkind war zerbrochen. Die Figur des Jesuskindes war zu Boden gefallen und zerbrochen.

Es herrschte Totenstille. Die Messdiener standen da und blickten auf die kleinen Porzellanscherben, die vor ihnen auf dem Boden lagen. Das Christkind war zerbrochen.

Und jetzt, was tun? – Da hatte plötzlich einer eine Idee. Er rannte schnell nach Hause und kam ganz aufgeregt, so schnell er konnte, wieder zur Kirche zurück. In seiner Hand trug er – etwa genauso groß wie das zerbrochene Christkind – einen Weihnachtsmann, einen Porzellanweihnachtsmann, den er von seiner Grossmutter bekommen hatte.

„Legen wir doch ihn in die Krippe“, sagte er; „wenn wir ihn etwas mit Stroh zudecken, dann fällt das doch überhaupt nicht auf“. Er legte den Weihnachtsmann an die Stelle des Christkindes und sagte: „Seht, wie er gut dazu passt. Niemand wird merken, dass uns das Jesuskind kaputtgegangen ist.“ Wie endet diese Geschichte? Hat jemand bemerkt, dass das Jesuskind in der Krippe fehlte oder nicht? Und wenn es jemand gemerkt hat, wie haben die Leute reagiert? Ist  denn nicht die Hauptsache, dass die Krippe aufgestellt worden war, und dass das Weihnachtsfest im Dörflein stattfinden konnte? Und wie würden wir reagieren?

Diese Geschichte stellt uns vor die Frage der Bedeutung von Weihnachten für uns. Ja, was bedeutet für uns Weihnachten? Ist das Jesuskind noch im Mittelpunkt des Weihnachtsfestes? Oder kann der Weihnachtsmann das Jesuskind ersetzen? In der Geschäftswelt hat der Weihnachtsmann das Jesuskind schon seit langer Zeit ersetzt. Man braucht ja nur die Werbung anzuschauen. In den Schaufenstern, in den Anzeigen und Reklamen ist der Weihnachtsmann, der uns frohe Festtage wünscht, schon lange an die Stelle des Christkindes getreten.

Und ich kann mir sogar gut vorstellen, warum dies so ist! Der Weihnachtsmann passt tatsächlich besser zu der Art, wie immer mehr Menschen Weihnachten feiern, viel besser als das Kind, das auf Heu und auf Stroh in der Krippe liegt.

Der Weihnachtsmann erinnert uns nämlich ans Schenken. Und Weihnachten ist ja für viele das Fest des Schenkens geworden. Die Figur des Weihnachtsmannes vertritt also sehr gut den Markt, den es um Weihnachten gibt. Er ist ein Sinnbild geworden für ein Fest, das eigentlich keinen Inhalt hat, ein Fest, das von der Wirtschaft entwickelt worden ist.

Das Christkind auf Heu und Stroh, Jesus Christus, das Kind in der Krippe, erinnert uns im Gegenteil an den eigentlichen Inhalt des Festes. Schauen wir noch einmal das Weihnachtsevangelium genauer an. Das Evangelium spricht uns von Einfachheit, von Bescheidenheit: Maria und Josef machten sich auf den Weg nach Bethlehem. Dort, in der Armut einer Krippe, in einer Grotte wurde Jesus geboren. Nur einige Hirten mit ihrer Herde waren an jenem Abend in der Nähe dieser Grotte. Hirten, d.h. Menschen, die damals am Rande der Gesellschaft standen. Ja, Jesus wurde in der Armut geboren, in derselben Lage, wie leider noch heute viele Kinder in den ärmsten Ländern der Welt, wie zum Beispiel in Syrien in Soudan, oder in Palestina selbst… Weihnachten hat eigentlich nichts zu tun mit dem Luxus und der Verschwendung, die die Wirtschaft uns heute verkauft. Nein, in der Armut von Bethlehem, in jener dunklen und kalten Nacht, da ist plötzlich ein Licht aufgestrahlt, ein Licht, das alle Herzen mit Freude erfüllt hat. Ja, das Christkind ist dieses Licht, das uns an Weihnachten geschenkt ist. Jesus ist das Licht, das unser Elend, unsere Armut, unsere innere Finsternis und Leere erhellt. Er ist das wahre Geschenk, das uns mit Freude erfüllt.

Für mich ist es klar, dass der Weihnachtsmann das Christkind nicht ersetzen kann. Nur das Christkind von Bethlehem kann unsere Leere erfüllen. Es allein kann uns froh und glücklich machen, auch wenn wir eine dunkle Zeit erleben.

Während der nächsten Tage nehmen wir uns doch Zeit vor der Krippe, vielleicht  hier in der Kirche oder zu Hause, um über den Sinn des Weihnachtsfestes für uns nachzudenken. Fragen wir uns, ob der Weihnachtsmann das Christkind in unserem Herzen ersetzen kann oder vielleicht schon ersetzt hat.

Liebe Brüder und Schwestern, welche Antwort auch immer aus eurem Herzen kommt, ich wünsche euch, dass in eurer Besinnung das Licht von Bethlehem eure Augen erhellt und eure Herzen erwärmt, damit ihr, wie die Hirten, den Weg nach Bethlehem, zum Christkind wieder findet.

Amen.