Auf das ewige Leben hoffen

5./6. November 2022

32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Lesungen: 2 Makk 7, 1-2.7a.9-14, 2 Thess 2, 16 – 3, 5, Lk 20, 27-38

Prediger: Pater Ludovic Nobel

Liebe Brüder und Schwestern,

Im Monat November denken und beten wir ganz besonders für unsere lieben Verstorbenen. Abschied nehmen von einem geliebten Menschen tut immer weh. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht. Wir können es tatsächlich nicht einfach annehmen, dass wir einen Menschen, der für uns wichtig war, nicht mehr sehen werden, dass wir ihn nicht mehr berühren werden, dass wir seine Stimme nicht mehr hören werden.

Ja, Abschied nehmen von einem geliebten Menschen kostet uns viel, obwohl wir als Christen eine große Hoffnung haben. Von dieser Hoffnung berichtet uns das heutige Evangelium.

Die große Hoffnung, dass der Tod nicht endgültig ist, sondern dass unsere Verstorbenen bei Gott leben dürfen, ist eines der Elemente, die unseren Glauben bestimmen und begründen. Diese grosse Verheissung Gottes ist auch ein Punkt, der unseren Glauben attraktiv macht und ihn von anderen Glaubensüberzeugungen und Religionen unterscheidet.

Im heutigen Evangelium erfahren wir, dass nicht jede religiöse Gruppierung an ein Leben nach dem Tod glaubt. Die Sadduzäer, eine jüdische Gruppierung zur Zeit Jesu, waren überzeugt, dass es keine Auferstehung gibt. Nach dem Tod ist einfach alles fertig, dachten sie. Jesus ist nicht oder: dieser Meinung. Mit dem Hinweis auf die Offenbarung Gottes im brennenden Dornbusch macht er tatsächlich deutlich, dass Jahwe, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sich nicht mit Toten umgibt, sondern nur mit Lebenden, deshalb gibt es eine Auferstehung der Toten. Deshalb gibt es ein Leben nach dem Tod, ein ewiges Leben.

Wie wird aber dieses ewige Leben sein?, fragen wir uns vielleicht. Diese Frage hat schon viele Menschen beschäftigt. Der heilige Thomas von Aquin versucht mit einer Erzählung auf diese Frage zu antworten. Geben wir ihm das Wort: Zwei Mönche malten sich das Paradies in ihrer Phantasie in den leuchtendsten Farben aus und versprachen sich gegenseitig, dass der, welcher zuerst sterben würde, dem anderen im Traum erscheinen und ihm nur ein einziges Wort sagen solle. Entweder “taliter” – es ist so, wie wir es uns vorgestellt haben, oder “aliter” – es ist anders, als wir es uns vorgestellt haben. Nachdem der Erste gestorben war, erschien er dem anderen im Traum, aber er sagte sogar mehrere Worte: “Est taliter, sed totaliter aliter!” – Es ist so und doch total anders als in unserer Vorstellung.

Genau dies sagt auch Jesus, wenn er den Sadduzäern antwortet: Die aber, die Gott für würdig hält, an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten. Sie werden auch nicht mehr sterben. Für die Auferstehung von den Toten und für das ewige Leben gelten einfach andere Regeln, als wir sie hier auf Erden kennen. Geborenwerden, heiraten, sterben, all dies gibt es dann nicht mehr. Die Vorstellungen dieser Welt lassen sich nicht auf das Jenseits übertragen. Weder die Vorstellungen von damals noch die von heute.

Jesus versucht aber auch, uns eine Vorstellung davon zu geben, wie dieses Leben bei und mit Gott aussehen wird, wenn er sagt: Die, die Gott für würdig hält, an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden den Engeln gleich sein und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes gemacht werden. Als Söhne und Töchter Gottes werden wir bei der Auferstehung Gott selber sehen können, so wie er ist: Unfassbare Liebe, bedingungsloses Dasein für uns. Gott, der uns schon in diesem Leben immer wieder mit herrlichen Augenblicken des Glücks überrascht, wird als der erkennbar werden, der unsere tiefste Sehnsucht erfüllt.

Liebe Brüder und Schwestern, während der kommenden Woche können wir versuchen, unseren Glauben an die Auferstehung wieder neu zu entflammen und zu erneuern. Sind wir bewusst, was das ewige Leben für uns und für unsere lieben Verstorbenen wirklich bedeutet? Denn, auch wenn wir uns dieses ewige Leben nicht konkret vorstellen können, haben wir doch gute Gründe, auf die Argumente Jesu zu hören und auf das ewige Leben zu hoffen.

Amen.