Ankuft unbekannt

26./27. November 2022

1. Adventssonntag, Lesejahr A

Lesungen: Jes 2, 1-5; Röm 13, 11-14a; Mt 24, 37-44

Prediger: P. Ludovic Nobel

Wir feiern Advent, wir feiern Ankunft, wir feiern, dass der Menschensohn kommen wird. Deshalb haben wir die erste Kerze am Adventskranz angezündet, viele Kinder öffnen jeden Tag ein Türchen im Adventskalender. Die stille Zeit hat begonnen, eine Zeit der Ruhe und Besinnung, mit Kerzenschein und heißem Glühwein, mit Lichtern in den Städten und Dörfern, mit gemütlichem Zusammensein und besinnlicher Musik – und vielleicht schneit es ja noch. Die schönen Gefühle des Advents seien allen gegönnt, um so mehr, wenn es so gelingt, sich aus der Hektik der Vorweihnachtszeit zu befreien.

Aber im Evangelium des heutigen Sonntags ist nicht viel Besinnliches zu finden. Da ist die Rede von plötzlich hereinbrechender Flut – was das bedeutet, kann man im Zeitalter des Klimawandels ahnen. Das Evangelium erzählt von Menschen, die zurückgelassen werden, vom Dieb in der Nacht. Erschreckende Bilder und Vergleiche präsentiert uns da der Herr. Plötzlich und unerwartet, und nicht ruhig und besinnlich, bricht der Tag des Herrn herein.

Er wird wiederkommen – das war die feste Zuversicht der ersten Christen. Die ersten Christen glaubten, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten kommen würde. Die Zeit verging, und der Herr blieb aus. Ihre Erwartung wurde enttäuscht. Die Ankunft des Herrn lässt immer noch auf sich warten. Und so haben es sich die Christen damals und heute eingerichtet, es sich in der Welt gemütlich gemacht. Sie essen und trinken und heiraten, sie arbeiten auf dem Feld, an der Mühle, im Büro, in der Fabrik oder im Haushalt. Das Evangelium sagt aber klar: Der Herr wird kommen aber unvermutet. „Dass“ er kommt, ist sicher. „Wann“ er kommt, ist ungewiss. Die Ungewissheit über den Zeitpunkt des Kommens bringt die Gefahr mit sich, dass wir die Botschaft vom Kommen des Menschensohnes nicht mehr ernst nehmen. Es besteht die Gefahr, dass wir die Wiederkunft Christi vergessen. Mit dem 1. Adventsonntag beginnt die Kirche die jährliche Vorbereitungszeit auf sein Kommen. Sie nützt die Feier des Weihnachtsfestes, um uns selber wieder in Erinnerung zu rufen: Einmal wird Jesus auch wirklich wiederkommen. Nicht nur auf das Kommen in Bethlehem bereiten wir uns in diesen 4 Wochen vor, sondern auch, dass er einmal wiederkommt in Herrlichkeit.

Der Herr wird kommen! Seid also wachsam, haltet euch bereit! So ermahnt uns die heutige Liturgie. Das Evangelium will uns aufrütteln, wach rütteln, bereit machen. Advent ereignet sich hier und heute. Advent ist eine Lebenseinstellung; dazu gehört Geduld, gläubiges Vertrauen und Hoffnung, aber auch Tatkraft, Leidenschaft und vor allem Wachsamkeit. Und wachsame Christen spüren das Kommen des Herrn in ihrem ganz persönlichen Leben, sie erkennen Christus im notleidenden und bedürftigen Menschen, im Nächsten, der ihre Hilfe braucht. Sie öffnen die Tür ihres Herzens, sie sind bereit, auf andere zuzugehen, setzen sich ein für Frieden und Versöhnung, sie achten einander, hören aufmerksam zu, und stehen ihren Mitmenschen mit Rat und Tat zur Seite.

Advent ereignet sich, wenn Menschen einander trösten, füreinander da sind, miteinander und füreinander beten, und den Sinn ihres Lebens nicht im Essen und Trinken und Arbeiten erkennen, sondern in dem, der da kommen wird, und der doch schon unerkannt mitten unter uns Menschen lebt.

Advent ereignet sich, wenn Menschen ganz fest darauf vertrauen, dass die Liebe stärker ist als alles Leid und aller Unfriede auf dieser Welt.

Die Stunde der Begegnung mit dem Herrn soll uns als wache Menschen antreffen, die sich aktiv für das Reich Gottes einsetzen und dem Herrn den Weg bereiten. Das bedeutet nicht, in ständiger Hochspannung leben, sondern im ganz konkreten Alltag versuchen, etwas von der Liebe, die an Weihnachten in die Welt kommt, an andere weiterzugeben.

Es ist Advent. Der Herr wird kommen. Seid also wachsam, damit ihr sein Kommen bemerkt. Haltet euch bereit!